Ukraine - Hilfe
Freunde erkennt man in der Not … Berührende Momente der Hilfsbereitschaft gegenüber Menschen aus der Ukraine

Pastor Peter Siemens aus Eichenbühl spricht Russisch und engagiert sich in der Ukraine-Hilfe im Landkreis Miltenberg. Er hat viele erschütternde und berührende Begegnungen mit den Menschen, die auf ihrer Flucht vor dem Krieg in unserem Landkreis Schutz suchen. In einem Artikel für den News Verlag schildert er seine persönlichen Erfahrungen der letzten Wochen und gibt Beispiele für die überwältigende Hilfsbereitschaft der Bevölkerung im Landkreis. Ein Bericht, der zu Herzen geht, aber auch Mut macht.


Meine erste Berührung mit Menschen aus der Ukraine war am 14. März 2022. Etwa drei Wochen nach Beginn des Krieges. Meine Frau und ich wurden gebeten, als Dolmetscher beim Impf- und Testzentrum in Miltenberg einzuspringen. Aus diesem einen Einsatz wurden etwa zehn Wochen intensiver Arbeit im Gemeinschaftshaus Großheubach …

Vordergründig, so dachten wir, werden Menschen gebraucht, die die Sprachen Deutsch, Ukrainisch oder Russisch sprechen. Es stellte sich rasch heraus, dass alle ukrainischen Gäste perfekt Russisch sprechen. Ebenso stellte sich heraus, dass viele der Gäste aus Gebieten kommen, wo überwiegend Russisch gesprochen wird, wo die die Alltagssprache Russisch ist. Russen und Ukrainer leben friedlich mit- und nebeneinander. Man teilt dasselbe Treppenhaus, hat in derselben Siedlung den Schrebergarten, geht in dieselbe Schule, Firma, kauft beim selben Bäcker und Metzger ein, die Kinder spielen auf demselben Spielplatz und gehen in dieselbe Schule … Dies ist nun alles Geschichte … liegt in Trümmern … die Bilder von ausgebrannten Häusern und zerstörten Ortschaften kennen wir inzwischen alle aus den Nachrichten …

Recht bald aber wurde die eigentliche Not sichtbar: alle ukrainischen Gäste haben neben ihrem Hab-und-Gut auch noch das Gefühl der Lebenssicherheit verloren. Wenn Kinder auf dem Hof des Gemeinschaftshauses spielen und ein Flugzeug ganz hoch drüber fliegt, unterbrechen diese das Spiel und schauen nach oben, ob da nicht etwas vom Flugzeug runterfällt. Diese Kinder haben gelernt, sich dann blitzschnell in Sicherheit zu bringen: hinter einer Wand, unter einem Tisch, im Keller, im Badezimmer in der Badewanne. Sie haben in bitterer Erfahrung gelernt: hinlegen, sich ganz klein machen, Decke gegen Glasscherben drüberziehen – und den Mund weit aufmachen …

Es sind die Mütter, die ihre Kinder, die Zukunft, den Fortbestand der Familie, retten, indem sie hierhergekommen sind. Ihre Männer / Väter sind daheim geblieben und verteidigen die Heimat gegen die russische Armee. Die einzige Verbindung, die sie miteinander haben, ist das Handy. Über Wochen, inzwischen über drei Monate. Mitunter werden die Gespräche durch Sirenengeheul erschwert, dann hört man Explosionen. Danach ist die Leitung tot. Einen Tag. Oder zwei. Oder noch länger … Was bleibt, ist eine zerfressende Angst um den lieben Menschen am anderen Ende der Leitung …

Vor diesem Hintergrund hat mich die Solidarität der Menschen in unserem Landkreis mit den Gästen aus der Ukraine fasziniert. Mir sind in den letzten 10 bis 12 Wochen sooo viele Menschen begegnet, die sich selbstlos, offen, weitherzig, großzügig, unkonventionell, menschlich, christlich – wie auch immer - an die Seite der Betroffenen gestellt haben! Dies betrifft sowohl „den einfachen Bürger“ als auch offizielle Stellen: Arztpraxen, Behörden, Schulen, Feuerwehren, Sicherheitsdienste, Geschäfte, die Bundesbahn, die Schwimmbäder, Autowerkstätten, Arbeitgeber, Bürgermeister, Angestellte, Frauenbünde, Jugendliche, Kindergärten, Krankenhäuser …

Die Welle der Hilfsbereitschaft, wie ich sie erlebt habe, war und ist überwältigend..! Sie ist tausendfaches DANKE wert..!
Im Namen vieler ukrainischer Gäste: Danke

  • der Familie aus dem Landkreis, die ihr geerbtes Haus zur Verfügung gestellt hat, in dem 10 Menschen ein neues Zuhause gefunden haben
  • all denen, die Wohnräume zur Verfügung gestellt haben und nun zusammen mit den Gästen lernen, in einer sehr ungewohnten Konstellation zu leben
  • der älteren Dame, die aufs Gelände des Gemeinschaftshauses in Großheubach kam und eine Packung Schokolade und Gummibärchen brachte. Sie sagte, sie hätte keine gebrauchte Kleidung, aber etwas Gutes tun wolle sie gerne
  • den Mitarbeitern des Landratsamtes, die um 21:00 Uhr noch im Büro sind und Daten von ukrainischen Gästen recherchieren
  • derselben Behörde, die gegen 22 Uhr nochmals „rausrückt“, weil eine betroffene Familie bei uns „gestrandet“ ist
  • den Freiwilligen, die über Wochen im Schichtdienst die Essensausgabe machen, die Toiletten putzen, die Flure sauber halten, daheim die Wäsche der Gäste waschen, trocknen und bügeln, mit den Kindern malen und spielen, sich zu den Weinenden setzen und zuhören
  • der Gemeinde, die den Securiti-Dienst organisiert hat, damit die Gäste sich auch nachts in Sicherheit wissen
  • den vielen Freiwilligen, die Fahrten übernehmen und ukrainische Gäste zum Arzt, auf eine Behörde oder zur Wohnungsbesichtigung bringen
  • der Familie, die auf dem eigenen Grundstück einen Spielenachmittag mit Kindern aus der Ukraine organisierte
  • den Mitarbeitern im Martinslädchen Bürgstadt
  • dem Frisör, der kommt und den Ankömmlingen das Waschen und Schneiden der Haare anbietet – unentgeldlich
  • danke dem Döner-Chef, der den vorbeilaufenden Ukraine-Kindern eine Runde Pommes ausgibt und dem Eismann, der das Eis spendiert …

So könnte man fortsetzen. Immer weiter … Und es bliebe immer noch nur ein kleiner Ausschnitt aus den vielen, vielen bewundernswerten Zeichen der Wertschätzung und Solidarität mit Menschen in Not.
In diesen Zeichen liegt Hoffnung. Perspektive. Zukunft. Menschlichkeit. Aus solchen Zeichen setzt sich das zusammen, was wir LEBEN nennen. Das ist einfach großartig..!

Vermutlich liegt vor uns noch en langer Weg, bis Frieden wieder einzieht und der Krieg aufhört. Vermutlich werden wir alle noch einen langen Atem brauchen. Für diesen Weg wünsche ich den ukrainischen Gästen und den deutschen Gastgebern viel Kraft, Geduld und Gelingen.
Viele Gäste werden wieder zurückgehen. Dorthin, wo ihr ganzes bisheriges Leben geblieben ist. Unter den Utensilien, die sie dann im Gepäck haben werden, werden sie vor allem diese Erfahrungen mitnehmen. Erfahrungen mit einem Volk, das vor vielen Jahren auch einmal bei ihnen, den Ukrainern, war und damals viel Leid ausgelöst hatte …
Welch ein Geschenk ist es nun, dass dieses Volk, wir, Deutsche, den Ukrainern Schutz und Zuflucht bieten können ..! Welch ein Wunder ..?!!

In Wertschätzung
Peter Siemens / Pastor

Autor:

Sabine Rindsfüsser aus Miltenberg

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