Wenn die Glocken nach Rom fliegen …

Jonas Amrhein, Maya Pfeifer, Jakob Schnee, Nico Amrhein, Antonia Fath, Leon Amrhein, Hannah Fath und Giuliano Franconieri. | Foto: Andrea Kaller-Fichtmüller
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  • Jonas Amrhein, Maya Pfeifer, Jakob Schnee, Nico Amrhein, Antonia Fath, Leon Amrhein, Hannah Fath und Giuliano Franconieri.
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… dann ergreifen die Klapperkinder mit ihren Klappern die Initiative und erinnern an Gebetszeiten und Gottesdienste

Lärmend ziehen sie mit ihren Ratschen, Klappern und Raspeln durch die Straßen unserer Städte und Dörfer. Nicht selten wundern sich die Anwohner, was es mit dem Radau auf sich hat. Es ist eine alte Tradition, die die Klapperkinder mit ihren Lärminstrumenten aufrecht erhalten. An den Kartagen erinnern sie damit an die Gebetszeiten und die Gottesdienste.

Alter Osterbrauch

Der Brauch des Klapperns, Raspelns oder Ratschens ist schon sehr alt. Schon 1482 wurde in Coburg in einem Buch darüber geschrieben. Im „Weltbuch“ von Sebastian Franck, das aus dem Jahr 1534 stammt, heißt es: „Da fährt man mit einem klopfenden Karren und vielen Tafeln in der Stadt herum und ruft das Volk in die Kirche zur Passion“, (Quelle: Wikipedia). Auch heutzutage ist das Klappern eine weit verbreitete Tradition, die vorwiegend von Jugendlichen und Kindern, zumeist Ministranten, in den Städten und Dörfern unseres Landkreises aufrecht erhalten wird. So sind auch in den Dekanaten Miltenberg und Obernburg bis auf wenige Ausnahmen in allen Gemeinden die Gruppen unterwegs.

Selbstgebaute Lärminstrumente

Traditionell am Karfreitag und Karsamstag ziehen die Kinder und Jugendlichen mit ihren Ratschen, Klappern und Raspeln, den meist selbstgebauten Lärminstrumenten, durch die Straßen, um die Menschen an die Gebets- und Gottesdienstzeiten zu erinnern. „Denn nach einem alten Brauch schweigen die Glocken in den katholischen Kirchen aus Trauer um das Leiden und Sterben von Jesus Christus“, erklärt Pfarrer Michael Prokschi. Er ist Seelsorger der Pfarreiengemeinschaft Herz Jesu Kirchzell und Dekan des Dekanats Miltenberg.

Kirchenglocken früher wichtiger Zeitanzeiger

„In früheren Zeiten waren die Kirchenglocken für die Menschen ein wichtiger Zeitanzeiger“, so Pfarrer Markus Lang. Er ist als Seelsorger der Pfarreiengemeinschaft Christi Himmelfahrt Kleinwallstadt-Hausen und Dekan des Dekanats Obernburg tätig. „Ohne das Läuten fehlte den Menschen daher die Uhrzeit. So wurde an den Kartagen zur Kirche geklappert statt geläutet. Man sagt auch, dass die Glocken zum Beichten nach Rom fliegen. Sie schweigen vom Gloria bei der Messfeier am Abend des Gründonnerstags bis zum Gloria in der Osternacht.“

Feste Zeiten zum Klappern

Die Klapperzeiten sind dabei genau festgelegt. „Frühmorgens um 6 Uhr, um die Mittagszeit um 12 Uhr und abends um 18 Uhr, jeweils anstelle des Angelus Läutens, dazu noch zu besonderen Zeiten, wird geklappert. Am Vormittag des Karsamstags ziehen die Kinder zusätzlich los und bitten um Spenden“, fährt Pfarrer Lang fort. „Bei uns sagen sie dazu folgenden Spruch: ´Wir klappern für die Ministrantenarbeit, seid ihr zu einer Spende bereit`, denn der Erlös wird für unsere Ministrantenarbeit verwendet.“ „Zusätzlich zu den Geldspenden, die teilweise gespendet und teilweise für die Ministrantenarbeit verwendet werden, bekommen die Kinder Süßigkeiten geschenkt“, fügt Pfarrer Prokschi hinzu.

Der „Englische Gruß“

Die Klappersprüche und –verse gehören zum Klappern genauso dazu wie die Klapper, Raspel oder Ratsche. Pfarrer Lang und Pfarrer Prokschi: „Als Ersatz für das Angelusläuten morgens, mittags und abends singen oder rufen die Kinder den so genannten ´englischen Gruß´. Das kommt jedoch nicht aus England, sondern ist vom Wort ´Engel´, auf Latein ´angelus´, abgeleitet. Nach dem Gruß wird kräftig geklappert.“ Die Sprüche und Verse weichen von Gemeinde zu Gemeinde ab.

Lärm für das Gebet

Die meisten Lärminstrumente werden von Generation zu Generation weitergegeben und oft auch selbst gebaut. Es gibt zum Beispiel Klappern, die wie ein Hammer auf eine Holzleiste schlagen und dabei ein klapperndes Geräusch erzeugen. Die Raspeln, bei denen dünne Holzplättchen über ein Zahnrad aus Holz laufen, werden durch Drehen bewegt. Ratschen haben einen massiven Resonanzkörper aus Holz, in dem sich eine Walze mit Nocken befindet. Durch eine Kurbel wird die Walze bewegt und erzeugt das typische Geräusch.

Die Roßbacher Klapperkinder

In Roßbach sind jedes Jahr rund 50 bis 60 Kinder, verteilt auf 5 Gruppen, beim Klappern unterwegs. Merlin und Maya Pfeifer, Jakob Schnee, Jonas, Leon und Nico Amrhein sind wieder mit von der Partie. Munter erzählen sie von ihren Erfahrungen und Erlebnissen. Der 14jährige Merlin ist schon einige Jahre dabei. „Ich bin da einfach so reingewachsen“, weiß er. „Als ich es vor einigen Jahren gesehen habe, wollte ich unbedingt mitmachen.“ Jakob ist vom frühen Aufstehen genervt: „Ich habe ja Ferien und würde gerne ausschlafen, aber das geht leider nicht.“ „Ich wurde von meiner Oma gefragt, ob ich nicht auch beim Klappern mitmachen möchte“, erinnert sich Maya, die dabei ist, seit sie etwa vier Jahre alt ist. Leon ist sehr stolz auf seine Klapper, die er gemeinsam mit seinem Opa gebastelt hat. „Das war sehr schwer“, gibt er zu. „Viele von uns haben Ratschen und Klappern, die sie vererbt bekommen haben.“ Alle haben viel Spaß beim Klappern. „Wir machen gerne mit“, sagen Jonas und Nico. „Wir bekommen viele Süßigkeiten geschenkt. Das Geld, das wir sammeln, teilen wir unter uns auf.“

Die Watterbacher Klapperkinder

Im KirchzellerOrtsteil Watterbach ziehen jedes Jahr etwa 15 Kinder klappernd und ratschend durch das Dorf. Zum mittlerweile dritten Mal dabei sind Luca Herkert und Niklas Meixner, die beide auch als Ministranten aktiv sind. „Das Klappern macht uns viel Spaß, weil wir da so richtig Krach machen können“, erzählen die beiden. „Wir sind über unseren Mesner Bertram Röchner zum Klappern gekommen.“ Bertram Röchner kümmert sich in Watterbach um die Erhaltung alter Bräuche. „Dazu gehört neben dem Martinszug, den Sternsingern oder dem Winteraustreiben auch das Klappern“, führt er aus. „Die Kinder ziehen in einer Gruppe los, teilen sich dann auf und machen den Rest des Dorfes dann wieder gemeinsam. Am Karsamstagabend sind sie auch einmal zum Klappern in unserem etwas abseits gelegenen Weiler Schrahmühle unterwegs.“ Das frühe Aufstehen bekommen die Buben ganz gut hin. „Im Pfarrhaus wartet am Karfreitag und Karsamstag ein Frühstück auf uns, da stehe ich gerne auf“, gibt Luca zu. Niklas hat seine Klapper selbst gemacht. „Papa und Mama haben mir dabei geholfen.“ Gesammelt wird in Watterbach allerdings nicht. „Das haben die Kinder bereits beim Winteraustreiben vor wenigen Wochen getan“, berichtet Bertram Röchner.

Schmachtenberger Kinder klappern

In Schmachtenberg haben sich Mira Zöller, Samuel Tischer, Paul Zöller, Lenz Ackermann und Michaela Hertlein dazu entschlossen, beim Klappern mitzumachen. Mira ist durch ihren älteren Bruder zum Klappern gekommen. „Er hat mir davon erzählt und mich mitgenommen, so bin ich dazugekommen. Den Krach unserer Ratschen finde ich schon sehr laut, das stört mich ein bisschen.“ Der 16jährige Samuel ist fast schon ein alter Hase: „Ich bin schon seit meinem 8. Lebensjahr dabei. Die Sprüche muss ich nicht lernen, die kenne ich inzwischen. Unsere Familie ist groß, da hat das Ratschen Tradition.“ „Wir laufen in zwei Gruppen durch Schmachtenberg“, berichtet Paul. „Das macht viel Spaß. Mit dem frühen Aufstehen habe ich keine Probleme.“ Lenz hat dieses Jahr eine neue Klapper bekommen. „Mein Vater, der früher schon geklappert hat, hat mich zum Klappern gebracht. Ich stelle mir extra den Wecker und stehe dann ganz alleine auf. Das finde ich spannend.“ Michaela wird in diesem Jahr morgens zum ersten Mal dabei sein: „Das habe ich meiner Mutter versprochen. Meine Klapper hat mein Onkel bebaut. Ich finde es schön, wenn wir durch Schmachtenberg laufen.“

In Gönz klappern Erwachsene

Doch nicht überall leben genügend Kinder, die das Klappern übernehmen können. Vor allem in kleineren Gemeinden gibt es kaum Nachwuchs. In Gönz haben sich deshalb einige junge Männer dazu bereiterklärt, die Tradition fortzuführen und klappern nun anstelle von Kindern. Vitus, Martin, Simon und Johannes Grimm, Thomas, Andreas und Daniel Hennrich, Lukas und Jonas Breunig, die alle in der Feuerwehr aktiv sind, ziehen mit ihren Klappern los, um gemeinsam das alte Brauchtum zu erhalten. „Bei uns gab es das Klappern schon immer. Bereits unsere Großväter und Väter haben geklappert, jetzt klappern wir. Die Texte haben wir noch ganz gut drauf. Allerdings sind wir morgens nicht immer komplett, aber das macht nichts. Das Geld, das wir sammeln, leiten wir an das Kloster Oberzell weiter. Hier wirkte Schwester Martina, die aus Gönz stammt, aber vor einigen Jahren gestorben ist. Neben Süßigkeiten erhalten wir Erwachsenen auch den ein oder anderen Schnaps oder auch einmal ein Bier. Seit kurzem gibt es wieder einige jüngere Kinder in Gönz und wir hoffen, dass diese uns bald begleiten.“

Bauanleitung für eine einfache Holzklapper

Material:
– Ein Brett oder eine Holzlatte, ca. 4,5 cm breit und 50 cm lang
– Holzdübel
– Schraube
Bauanleitung:
1. Zunächst die Dachlatte halbieren (ergibt Teile A und B).
2. Nun in die eine Hälfte (Teil A) einen etwa 8 cm langen und 2 cm breiten Schlitz sägen. Den Schlitzabfall aufheben, das ergibt später den Hammerstiel.
3. Von der anderen Hälfte (Teil B) ein etwa 5 cm langes Stück absägen, das ergibt den Hammerkopf.
4. An der kürzeren Hälfte (Teil B) in der Mitte Aussparungen einsägen, so dass diese sich in den Schlitz von Teil A schieben lässt. Mit einem Holzdübel fixieren.
5. Den Hammerkopf mit einer Schraube auf den Hammerstiel schrauben und frei beweglich mit einem Holzdübel am Ende des Schlitzes in Teil A befestigen.

Autor:

Andrea Kaller-Fichtmüller aus Miltenberg

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