Ein dem Tod geweihter Patient – das Miltenberger Krankenhaus

Geschlossen werden: die Notaufnahme, die Endoskopie, die Funktionsdiagnostik, die Intensivbetten und die Belegbetten der HNO. Damit ist das „Aus“ für das Miltenberger Krankenhaus besiegelt.
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Das Siechtum begann bereits im Jahr 2005 mit der Privatisierung

Das Jahr neigt sich dem Ende und so ist es auch mit dem Miltenberger Krankenhaus. Es soll zum Jahreswechsel geschlossen werden und in eine geriatrische Rehabilitationsklinik umgewandelt werden. Damit verliert es seinen Charakter als Akutkrankenhaus und Anlaufstelle für kranke Menschen und Notfälle. Im Landkreis gibt es dann nur noch eine „echte“ Klinik - das Erlenbacher Krankenhaus. Viele Bürger, aber auch Ärzte und Politiker fürchten nun eine große Lücke in der internistischen Notfallversorgung, vor allem im südlichen Landkreis. In Situationen, in denen Minuten über ein Leben entscheiden können, werden die Transportwege dadurch länger.

Die Umstrukturierungspläne hat der neue Krankenhausbetreiber Helios-Kliniken bereits im Oktober dem bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vorgestellt und die Veränderung beantragt.

Verschiedene Meinungen zur Schließung des Krankenhauses:

Landrat Jens Marco Scherf:

„Ich verstehe, dass die Menschen im Landkreis mit Entsetzen darauf reagieren, dass das Miltenberger Krankenhaus geschlossen wird. Das ist aber eine ganz klare Folge der Privatisierung, die im Jahr 2005 im Kreistag mit Mehrheit gegen die Stimmen der SPD, der Grünen, der ÖDP und der FDP beschlossen wurde. Ich habe damals schon darauf hingewiesen, dass bei einer Privatisierung aus Kostengründen keine zwei Krankenhäuser im Landkreis bleiben werden. Die Teleportalklinik war ja auch schon kein richtiges Krankenhaus mehr. Die Klagen, die von den Bürgern des Öfteren kamen, waren ein Resultat davon. Es war ja bereits ein eingeschränktes Krankenhaus und hatte keine Notfallversorgung.
Jetzt gibt es leider keinen Einfluss auf die Politik des Betreibers mehr seitens des Landkreises. Aber ich werde Folgendes tun:
1. Ich werde mir zuerst das Rettungswesen anschauen, ob hier Änderungen notwendig und möglich sind. Vor allem die Umlaufzeiten müssen berücksichtigt werden, d. h. die Länge der Fahrzeiten im Notfall. Diese Prüfung habe ich bereits beantragt. Eventuell muss man einen Rettungswagen mehr anschaffen, um eine bessere Erreichbarkeit zu erhalten.
2. Den Kontakt mit den Ärzten suchen. Ich habe bereits mit den Belegärzten gesprochen, ob es möglich wäre, eine Bereitschaftspraxis im Krankenhaus Miltenberg anzubieten. Allerdings könnte das nicht rund um die Uhr organisiert werden, sondern nur zu bestimmten Zeiten.
Wo wir handeln können, werden wir es tun.
Der Landkreis hätte als Betreiber der Kliniken nur eine schwarze 0 gebraucht. Die privaten Eigentümer müssen Gewinn machen. Deshalb finde ich, dass Gesundheit und Krankenhausversorgung nicht in private Hände gehört. Das ist eine hoheitliche Aufgabe und gehört auf alle Fälle in die öffentliche Hand.
Ich werde mich außerdem an den Ausschuss bei Helios wenden, der über die Schließung entscheidet. Auch über den Städtetag werde ich alles versuchen, aber ich bin Realist genug, um zu erkennen, dass die Kommunalpolitik keinen Einfluss mehr hat. Das tut mir richtig weh, aber jetzt geht es nur noch um Schadensbegrenzung.“

Miltenbergs Bürgermeister Helmut Demel:

„Das Rad ist leider nicht mehr zurück zu drehen. Schon mit dem Verkauf der Kliniken 2005 an die Rhön-Klinikum AG war der Niedergang der Miltenberger Klinik besiegelt. Das System der Teleportalklinik funktioniert nirgendwo, wieso sollte es dann gerade in Miltenberg funktionieren? Außerdem hat der jetzige Eigentümer, die Helios-Kliniken GmbH, mit Teleportal rein gar nichts am Hut. Es ist sehr schade, dass selbst die Politik vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Es wäre schön gewesen, wenn wenigstens der Landrat und der Standortbürgermeister vorab informiert worden wären. Leider ist an einen Rückkauf der Klinik aus finanziellen Gründen nicht zu denken. Aber die ärztliche Notfallversorgung im südlichen Landkreis muss gesichert werden. Der Klinikgeschäftsführer Norbert Jäger signalisierte, dass er nichts dagegen hätte, wenn die Räume in Miltenberg für die Notfallversorgung genutzt – also angemietet - würden, allerdings ohne Beteiligung der Helios Klinik. Jetzt gilt es, möglichst viele Bürgermeister aus dem südlichen Landkreis und so viele Ärzte wie möglich an einem Tisch zu holen und nach Möglichkeiten zu suchen. Wenn wir das nicht schaffen, haben wir hier bald amerikanische Verhältnisse auf diesem Gebiet. Wir tun auf jeden Fall, was wir können und unterstützen die Ärzte, wo wir können. Nun brauchen wir ein „Wir“! Ich bin für alle Vorschläge offen und hoffe, dass eine Solidargemeinschaft entsteht, die es schafft, die ärztliche Notfallversorgung aufrecht zu erhalten.“

Dr. Armin Steck, Belegarztsprecher:

„Das Ärztenetz Untermain hat schon 2005 vor dem Verkauf der Krankenhäuser an gewinnorientierte Konzerne gewarnt. In einer turbulenten Versammlung im Jahr 2011 mit dem damaligen Landrat Roland Schwing, dem damaligen Bürgermeister Joachim Bieber und Vertretern der Krankenhauskonzerne haben wir Ärzte angemahnt, dass sich die Krankenhauspolitik auch um die Bürger im südlichen Landkreis kümmern muss. Eine Grundversorgung 24 Stunden täglich wohnortnah zu sichern ist nicht gewinnträchtig, deshalb wird ein Konzern das nicht anbieten. Uns haben der Rhön-Konzern und nun auch Helios immer viele Steine in den Weg geworfen und das Arbeiten immer mehr erschwert. Nun werden wir sogar rausgeschmissen. Die HNO ist angeblich nicht gut ausgelastet, deshalb schießt man uns als schwächstes Glied zuerst ab. Wenn ich mir vorstelle, dass ich Kindern und Erwachsenen nicht mehr helfen kann, macht mich das absolut traurig. Schon bisher mussten wir die Räume für ambulante Operationen und die Instrumente anmieten. Der Anästhesist kommt aus Tauberbischofsheim und das Einmal-Material muss ich selbst kaufen. Aber ich fühle mich meinen Patienten verpflichtet und versuche, alles aufrecht zu erhalten, so lange wie wir es können.
Man muss allerdings klarstellen, dass die vom Helios-Konzern eingestellte Akutversorgung nur die Innere Medizin im Krankenhaus betrifft. Also Herzinfarkte, Schlaganfälle und Ähnliches. Die chirurgische Praxis, deren räumliche Nähe zum Krankenhaus zu Verwechslung führen könnte, bleibt natürlich erhalten, ebenso die Gynäkologie und auch die HNO-Ärzte in Miltenberg, die ihren Patienten auch weiterhin zur ambulanten Behandlung zur Verfügung stehen und dies auch gerne in der stationären Versorgung weiterhin täten – so der Konzern nicht versucht, sie aus dem Miltenberger Krankenhaus zu drängen. Das Ganze geht in eine Richtung, die absolut nicht gut ist.“

Dr. Siegfried Beller, ärztlicher Direktor der Kliniken:

„Ich begrüße, dass das Miltenberger Krankenhaus für die Innere Medizin geschlossen wird. In den Medien wird es nun anders dargestellt, aber wir Ober- und Chefärzte waren die treibende Kraft für die Umstrukturierung. Wir haben gesehen, dass im Miltenberger Krankenhaus die Strukturen nicht mehr optimal waren. Bei uns in Erlenbach ist hochkarätige Medizin, wie künstliche Beatmung rund um die Uhr möglich. Auch Operationen können wir jederzeit durchführen. Wir haben hier eine tolle Intensivstation und eine hervorragende Versorgung. In Miltenberg war das Haus dafür zu klein, das ist Patienten nicht zumutbar. Die Angst der Bürger im südlichen Landkreis im Notfall vor längeren Fahrten kann ich verstehen, sie ist aber unbegründet. Bei Bedarf stehen ja Rettungswägen und sogar Hubschrauber zur Verfügung, da spielen ein paar Kilometer mehr keine Rolle. Das Miltenberger Krankenhaus darf zum Beispiel einen Herzinfarkt gar nicht mehr behandeln, weil es keinen Herzkatheter hat. Das war noch vor 15 bis 20 Jahren ganz anders. Der medizinische Standard hat sich einfach verändert und es kann nicht angehen, dass die Patienten in so einem kleinen Haus benachteiligt sind. Wir verfügen hier über die entsprechenden Untersuchungsmethoden und die passenden Spezialisten.
Bei einem Sturz oder kleineren Notfällen ist die Notfallversorgung in Miltenberg ja immer noch durch die niedergelassenen Ärzte mit ihren Belegbetten gewährleistet. Schwere Notfälle werden dann in Erlenbach behandelt oder in eine Spezialklinik geflogen. Ich bin sicher, die Patienten werden von dieser Regelung profitieren.“

Das meinen unsere Bürger:

Reinhold Winter, Amorbach:

„Die Situation in Deutschland wird immer schlimmer. Die Kranken müssen den Preis für den Verkauf zahlen. Man spielt mit der Gesundheit der Menschen. Das wird auch so weitergehen und wird nicht besser. Das sind schlimme Aussichten, gerade wenn man älter wird.“

Marita Aulbach, Freudenberg:

„Es ist eine Schande, dass die Gesundheit der Bürger so wenig zählt. Überall geht es nur noch um Gewinn und Geld. Wenn wir hier in der Gegend einen Notfall haben, können wir sehen, wo wir bleiben. Früher waren die Politiker stolz, wenn sie ein Krankenhaus in ihrem Landkreis hatten und heute wird so etwas einfach verkauft.“

Winfried Hain, Mechenhard:

„Es ist schockierend, dass der südliche Landkreis im Notfall nicht mehr in einem nahen Krankenhaus versorgt werden kann. Wenn es um Leben und Tod geht, zählt jede Sekunde. Vor allem auch bei älteren Patienten, wenn sie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall haben.“

Wenn auch Sie sich zu diesem Thema äußern wollen, geben Sie einfach hier Ihren Kommentar ab.

Autor:

Liane Schwab aus Miltenberg

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