Traumatisierung: Flüchtlinge - traumatisiert und heimatlos

Referent Gerald Möhrlein im A(r)trio Café der AWO in Miltenberg | Foto: Stephan Schreitz
  • Referent Gerald Möhrlein im A(r)trio Café der AWO in Miltenberg
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Miltenberg

So groß war das Interesse beim zweiten Vortrag des Referenten Gerald Möhrlein, dass das AWO- A(r)triocafé in Miltenberg mit Zuhörern aus den verschiedenen Bereichen der Flüchtlingsbetreuung bis zum letzten Platz besetzt war.

Die Kreisvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Miltenberg, Ingrid Kaiser, begrüßte die Gäste und bedankte sich bei dem Leiter des Sozialpsychatrischen Dienstes, Herrn Stephan Schreitz, dass er das A(r)trio Cafè auch dieses Mal zur Verfügung gestellt hat. Sie hob die Wichtigkeit der Informationen für die Menschen, die Umgang mit Flüchtlingen haben, hervor. Auch in den Sprachkursen der Arbeiterwohlfahrt werde man mit diesen Problemen konfrontiert.

Grundlagen Trauma

Viel Verständnis und Fingerspitzengefühl und „Zeit geben, Zeit geben, Zeit geben“ lautet das Plädoyer des Fachpädagogen für Psychotraumatologie Gerald Möhrlein.
Der Referent, der auch die „minderjährigen unbegeleiteten Flüchtlinge“ für die AWO in Marktbreit betreut, legte zunächst Grundlagen dar. Ein psychisches Trauma gehe immer mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einher und bewirke so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis. Er betonte, dass das Umfeld des Traumatisierten Linderung und Heilung beeinflusst. Bei Missachtung bzw. Ignorieren durch das Umfeld kann die traumatisierende Erfahrung nicht verarbeitet werden. Deshalb sei die Würdigung des wie auch immer gearteten Verhaltens des Traumatisierten wichtig. Nach dem 1. und 2. Weltkrieg erfolgte meist eine Abwertung von psychischen Traumatisierungen durch das Kriegsgeschehen als Veranlagung. Erst Anna Freud zeigte mit „Kriegskinder 1940-1945“ die Folgen der kriegsbedingten Traumatisierung auf.

Erlebnisse und Situation der Flüchtlinge

Möhrlein ging sowohl auf die Situation der momentanen Flüchtlinge und dabei auch die der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge ein. Diese werden teils mit 13 Jahren von ihren Familien auf den Weg geschickt. Charakteristisch für die UMF sind lange Anreisewege (durchschnittlich 6 bis 14 Monate / auch bis zu drei Jahre), auf denen sie dem Fluchthelfer ausgeliefert oder auch auf sich alleine gestellt sind.
Sie entfliehen fast immer einer für sie unerträglichen Lebenssituation: einer unmittelbar drohenden Lebensgefahr oder Perspektivenlosigkeit wie direkte und indirekte Kriegserlebnisse, Menschenhandel, Erleben oder Zeuge sein von Gewalt, Erfahrungen sexueller Gewalt, Inhaftierung, Zwangsrekrutierung als Kindersoldaten usw.
Durch die Flucht erfolgt der Verlust des Gefühls von Sicherheit und des Vertrauen in sich selbst und andere. Wichtige Bindungen und Beziehungen werden unterbrochen. Flucht ist immer unfreiwillig, geprägt durch zwei Gefühlsdimensionen – verzweifeltes Aufgeben und Wunsch sich und die Familie zu retten. Flüchtlinge haben oft Schreckliches durchgemacht, alleine auf der Straße gelebt, sich versteckt, Grenzen überwunden, sind tagelang zu Fuß gelaufen, oft wurden sie inhaftiert und lebten immer in unvorstellbarer Angst.

Angekommen in Europa entspricht die Wirklichkeit oft nicht den Erwartungen.
Die falschen Erwartungen wurden ihnen durch Schmugglern, Eltern und Rückkehrer
erzählt. Ein konstanter Befund der Forschungsstudien ergibt auch, dass sie die Trennung von ihren Eltern und Geschwistern belastender erleben als manche lebensbedrohliche Situationen, wie Luftangriffe und Bombenanschläge.
Die Folge ist, dass sie aus verschiedenen Gründen nicht über das sie Bedrückende reden können. Das Schweigen verstärkt ihre psychische Belastung, dadurch werden sie für Hilfe unzugänglicher.
Sie haben anfangs oft so viel Angst, dass sie oft in Kleidern mit gepackter Tasche schlafen, da sie ja jederzeit auf der Hut sein mussten.

Pädagogische Hilfe zur Bewältigung

Einem Menschen, so Möhrlein, der so viel durchlebt und gemeistert hat, dem muss man nicht sagen, was er zu tun hat, wann er aufzustehen hat und wann er zu Hause sein soll. Wichtig sei die Akzeptierung der Persönlichkeit durch individuelle Absprachen.

Die pädagogische Anforderung an die, die diese Flüchtlinge betreuen ist, Ihnen als verlässliche Vertrauensperson zur Verfügung zu stehen und die Bewältigungsprozesse behutsam zu begleiten und zu unterstützen. Es sind Orte zu schaffen, an denen ihnen die Wiederaneignung ihres Lebens möglich wird. Beruhigung kann in angemessenen Räumlichkeiten und familiärer Atmosphäre bei kleinen Gruppengrößen erfolgen.

Sicherheit entsteht, indem die Möglichkeit der Selbstbestimmung durch Partizipation und der Wiederetablierung einer Alltagsstruktur gegeben wird. Hilfen zu Krisenmanagement und zu Konfliktlösungsstrategien sind ebenso wichtig wie Sprachförderung und Schulbesuch, Arbeit und Ausbildung, Teilnahme in Sportvereinen und soziale Kontakte zum gesellschaftlichen Umfeld.
Große Bedeutung misst Möhrlein der psychologischen Versorgung und den Methoden zur Kontrolle der Traumasymptome bei.

Wichtige Anforderungen stellt er an die Betreuungsteams der jungen Flüchtlinge. Er fordert permanente Fortbildungen/ Fachtagungen z.B. mit Wissen über kulturelle Hintergründe und interkulturelle Pädagogik, Fachwissen bezüglich ausländerrechtlicher Zusammenhänge, feldspezifische Fachwissen über Traumatisierung, Methodenkenntnisse in der Gesprächsführung und Kommunikation. Wichtig sei die ständige Vernetzung um Erfahrungen auszutauschen.

Im Anschluss des Referates folgten noch viele Gespräche unter den Zuhörern.

Autor:

Ingrid Kaiser aus Landkreis Miltenberg

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