„Nie wieder werd ich angeklagt“
PrisonBreak - Junge Häftlinge beeindruckten

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Adelsheim. (HB) „Werden Sie Zeuge, wie sich Bengel in Engel verwandeln“, begrüßte Katja Fritsche, Leiterin der Jugendvollzugsanstalt, augenzwinkernd die geladenen Gäste zur Aufführung von „PrisonBreak". "Der Name sagt alles. Wir hoffen, dass es gelingt - zumindest in Gedanken und Gefühlen - auszubrechen aus dem Gefängnisalltag.“ Das darauffolgende einstündige Programm sprühte nur so von Energie, Hoffnung und Trauer mit Schilderungen des Lebens vor und während der Inhaftierung.

„In meiner Heimat ist Krieg. Ich bin auch nur ein Mensch.“ „Ticken wieder mal den Stoff, hinter uns sind die Cops. Ich hab mein Leben jetzt versaut.“ „Wir als Muslime respektieren deine Bibel, wir hassen dich nicht, sondern wir lieben.“ lauteten Zeilen der ersten RAP-Stücke
Die anwesenden Gäste, darunter Eltern und Angehörige sowie Mitarbeitende der JVA erlebten eine ergreifende Darbietung nach der anderen: „Wie oft wurde ich zu Hause geschlagen. Mama sieht mich wieder vor Gericht. Gucke dem Richter ins Gesicht, guck auf den Boden, schäme mich“ gaben die Darsteller ihr Innerstes Preis.
Maßgeblich für die künstlerische Qualität zeichneten Rapper und Pädagoge Danny Fresh gemeinsam mit Beatboxer und Musikproduzent Pheel, die bei der Entstehung der Songs in einem Workshop und wochenlangen Proben Hilfestellung gaben. Danny Fresh erklärte die Arbeitsweise: „Wir fangen bei null an. Einerseits sollen sich die Jungs inhaltlich nicht verbiegen. Andererseits kann man natürlich auch keinen Mafiafilm machen, in dem die Mafia verherrlicht wird.“
Was dadurch in den Rap Texten zur Sprache kommt lässt mitunter den Atem stocken: „Auf der Street keine Liebe nur Macht. Ich komm im Benz – du kommst unter die Reifen.“ „Mein Onkel im Knast, er sitzt 33 Jahre ab, Mann zerstückelt und in Kühlschrank gepackt.“
Die Hooks (Refrains) nutzen meist die Unterstützung von Autotune. „Damit trauen sich die Jungs zu singen“ erklärt Pheel und sofort klingt der Sound wie bei professionellen Musikproduktionen, die diesen Effekt häufig einsetzen. Gerappt wird alleine oder gemeinsam abwechselnd. Hin und wieder ist eine Gruppe im Hintergrund der Bühne, scheinbar ohne spezielle Aufgabe. Sie haben die Texte auf den Lippen, verschließen die Augen: „8,50 € Mindestlohn macht wenig Sinn. Lieber stell ich mich in Park und mach dick Gewinn. Immer wieder Typen wollen nicht bezahlen. Kommen mir mit Lügen, am Ende fließt Blut.“ wird Erlebtes drastisch wiedergegeben.
Nach jedem Song tosender Applaus, was für ein Strahlen in den Gesichtern der Akteure, sichtbar gerührte Besucher*innen und JVA-Mitarbeitende.
Kongenial ergänzt werden die Rapper durch Breakdance. Auch hier fand im Vorfeld ein Workshop statt, berichteten Thomas Bagdas und Dominik Blenk vom vierköpfigen Trainerteam. Meist parallel zu den selbstgemachten Songs gaben die Tänzer koordinierte Choreos mit akrobatischen Einlagen wie Flickflacks, Handstände, Bodenmoves oder Rückwärtssaltos zum Besten. Eine bemerkenswerte Doppelrolle im Trainerteam nimmt Aron Lachmann ein: der Vollzugsbeamte der JVA - sonst in Uniform – engagiert sich ehrenamtlich für das Freizeitprojekt. Tanztrainer-Kollegin Nadine Emmerich beschreibt sichtbar stolz den Trainingserfolg: „Die Insassen haben in ihren Zellen kaum Platz zum Trainieren. Ohne die Musik ist es eine echte Leistung die Abläufe auswendig zu lernen.“
In der Show immer wieder intime Momente. Langsames Tempo, schlichte Chords und wenig z.T. gar keinen Beat. Die Häftlinge offenbaren sich: „Ich weine jeden Tag. Will meine Kinder wieder kriegen. Oh Kinder bitte weint nicht, euer Papa sucht seinen Frieden.“ „Sie haben recht, wenn Leute sagen: Dieser Junge ist verrückt. Geht es um Familie wird die Wumme gedrückt. Desolée, desolée (Es tut mir leid)“. Routiniert werden Micros im Song herumgereicht. Und selbst wenn einmal das falsche Micro in der Hand ist, wird cool ein Loop-Durchgang abgewartet und ab geht’s im Doubletime: „Wieso konnt´ ich´s nicht lassen und ich fang an mich zu hassen. Ich hab meine Tochter im Stich gelassen.“ Erleben Geflüchtete in unserer Gesellschaft wohlwollende Integration oder permanente Ausgrenzung? „Gott sei Dank bin ich mal in den Knast gekommen. Lieber Gott ich habe Angst vor der Abschiebung. Da draußen verloren – und wir greifen nach Drogen. Auf der Straße geboren – doch ich habe mich irgendwo da draußen verloren. Man ich weiß was ihr denkt: Ein Gestörter bin ich.“
Zum Finale singen dann alle zehn Inhaftierten auf der Bühne, wiederholen mehrfach unverstärkt und unbegleitet den letzten Reim: „Komm aus ner Gegend wo niemand viel hat. Nie wieder werd ich angeklagt“
Nach 60 Minuten ist man tief beeindruckt von den Darbietungen aber auch von der Leidenschaft der Workshop-Verantwortlichen, mit welcher Energie sie die jungen Häftlinge zu ihren Leistungen pushen und anfeuern. Nach § 40 JVollGB IV haben die jungen Gefangenen nicht nur "ein Recht auf schulische und berufliche Bildung, sinnstiftende Arbeit", sondern auch auf "Training sozialer Kompetenzen“ - diese werden hier aufs Beste geübt. „Junge Männer, die schon so viel Negatives erlebt haben, lernen Projektmanagement, sie lernen welche Schritte zu gehen sind, um ein Ziel zu erreichen.“
Wie dankbar die Inhaftierten dafür sind wird sichtbar während des frenetischen Schlussapplauses, als sie die Projektleiterin, Freizeitpädagogin Tamara Scherer, auf die Bühne holen.
Finanziell ermöglicht wurde das Projekt durch die Landtagsfraktionen der Grünen und der CDU in Baden-Württemberg sowie des Bezirksvereins für soziale Rechtspflege Mosbach.
Mit Dank dafür bringt Leiterin Katja Fritsche es abschließend sichtbar stolz auf den Punkt und ruft den Akteuren strahlend zu: „Mega! Das macht süchtig. Dichten Sie, tanzen Sie – es ist beeindruckend was Sie alles können!“

Autor:

Horst Berger aus Buchen

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