Breitendiel seit 50 Jahren Stadtteil von Miltenberg
Eine Liebesheirat oder doch eine Vernunftehe?

Eine Litographie aus dem Jahre 1902 zeigt links das beliebte Ausflugziel für viele Miltenberger: den Felsenkeller in Breitendiel, rechts: die heutige Nibelungenstraße mit dem ehemaligen Gasthaus "Zur Rose"
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  • Eine Litographie aus dem Jahre 1902 zeigt links das beliebte Ausflugziel für viele Miltenberger: den Felsenkeller in Breitendiel, rechts: die heutige Nibelungenstraße mit dem ehemaligen Gasthaus "Zur Rose"
  • hochgeladen von Bernhard Setzer

Miltenberg/Breitendiel. Vielen Menschen steht zurzeit nicht der Sinn nach Feierlichkeiten. Dies war sicher mit ein Grund, dass ein wichtiger Breitendieler Jubiläumstag völlig in Vergessenheit geraten ist: Am 1. Januar 2021 jährte es sich zum 50. Mal, dass die ehemalige selbstständige Gemeinde Breitendiel Teil der Stadt Miltenberg geworden ist. Mit dem Anschluss zum 1.1.1971, war Breitendiel die erste Gemeinde in Unterfranken, die ihre Selbständigkeit frühzeitig und freiwillig aufgab. Ein Eingliederungszuschuss und erhöhte Schlüsselzuweisungen für weitere fünf Jahre waren der Lohn dafür.

Freiwillig oder auf Zwang?
Die bayerische Gebietsreform sollte ab 1972 auf freiwilliger Basis erfolgen und 1978 mit Zwangseingemeindungen abgeschlossen werden. Darauf wollten sich die Bürgerinnen und Bürger von Breitendiel mit ihren Gemeindevertretern aber nicht einlassen. Schon Anfang des Jahres 1970 hatten der Gemeinderat von Breitendiel und der Stadtrat von Miltenberg zahlreiche Gespräche mit dem Bayerischen Innenministerium, mit der Regierung von Unterfranken und dem Landratsamt Miltenberg geführt. Alle Behörden sprachen sich für einen vorzeitigen Anschluss Breitendiels an die Stadt Miltenberg aus. Bei einer Bürgerversammlung in Breitendiel teilte der damalige Bürgermeister Heinz Deuchert der Versammlung mit, dass der Gemeinderat von Breitendiel einstimmig beschlossen habe, zum 1. Januar 1971 die Selbständigkeit zugunsten einer Vereinigung mit der Kreisstadt Miltenberg aufzugeben. Seine Aussagen dazu waren: „In der heutigen Zeit denke man in größeren Räumen. Breitendiel liege unmittelbar vor den Toren Miltenbergs. Die Zukunftsaufgaben beider Gemeinden seien vielfach gleicher Art. Also könne man sie auch gemeinsam meistern“. Auch Miltenbergs Bürgermeister Ludwig Büttner fand Worte, die beeindruckten: „Wir reichen ehrlich die Hand und wir werden dafür sorgen, dass sie nie das Gefühl haben, bei uns Bürger der zweiten Klasse zu sein“. Breitendiels Bürger waren nach dieser Versammlung überzeugt, dass es sich um eine Liebesheirat handelt. Aber erst ein Bürgerentscheid am 22. November 1970 brachte die endgültige Entscheidung: Von 409 abstimmungsberechtigten Bürgern waren 327 zur Urne gegangen. 279 Bürger oder 88% stimmten für die Eingliederung der rund 640 Einwohner zählenden Gemeinde Breitendiel. 38 stimmten dagegen, zehn Stimmen waren ungültig. Das Aufgebot war bestellt, der Hochzeit stand nichts mehr im Wege.

„Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt“
Doch bald nach dieser Liebeshochzeit kamen die Ernüchterungen. Die zahlreichen Versprechungen, die den Breitendielern gemacht worden waren, hätten der Stadtrat und die Stadtverwaltung von Miltenberg nur sehr zögerlich oder überhaupt nicht eingehalten, so war bald die allgemein herrschende Meinung im neuen Stadtteil Breitendiel. Dies ließ Bürgermeister Ludwig Büttner nicht gelten. Viele Unstimmigkeiten bei der Übernahme der laufenden Geschäfte hätten sich ergeben. So seien längst fällige, aber nicht bezahlte Rechnungen aufgetaucht, so Bürgermeister Büttner mit einer öffentlichen Erklärung anlässlich einer Stadtratssitzung. Und weiter: Erschließungsmaßnahmen für die neuen Bebauungspläne waren nicht abgeschlossen, auch da waren nicht bekannte Verpflichtungen von der Stadtkasse noch auszugleichen.

Versprechen wurden gehalten:
Trotz all dieser Unstimmigkeiten und Differenzen setzte sich der Wille zur Gemeinsamkeit durch: das Feuerwehrhaus wurde gebaut, das versprochene Löschauto wurde angeschafft, der Straßenausbau „Nibelungenstraße“ bewältigt, die Friedhofserweiterung mit dem Bau der Aussegnungshalle realisiert, der Bau eines Kindergartens großzügig finanziell unterstützt, das ehemalige Volksschulgebäude saniert, die Kanalbaumaßnahmen abgeschlossen und manches mehr. Ausdrücklich soll auch vermerkt werden, dass die beiden nachfolgenden Bürgermeister von Büttner, Anton Vogel und Joachim Bieber den Weg der Gleichbehandlung aller Bürger konsequent weiterverfolgten.

Ein Fazit nach 50 Jahren Gemeinsamkeit:
Eine Feier zur „Goldenen Hochzeit“ wäre durchaus wünschenswert. Vieles hat sich in Breitendiel in diesen 50 Jahren zum Guten entwickelt. Die ausgewiesenen Wohnbaugebiete finden immer wieder Interesse, die Bautätigkeit in Breitendiel ist stetig. Heute leben über 900 Menschen im Stadtteil Breitendiel, die sich von Stadtrat und Stadtverwaltung Miltenberg gut vertreten und aufgehoben fühlen. Eine sehr aktive Kirchengemeinde „St. Josef“ mit Kirche, Pfarrgemeindehaus, Kindergarten und Jugendheim, mit ihrem hoch geschätzten Seelsorger und Ehrenbürger Heinrich Schlereth war und ist Garant für ein harmonisches Zusammensein im Ort. Die Eigenständigkeit von Breitendiel beweist sich auch durch seine Vereine und Organisationen mit ihren zahlreichen kulturellen und sportlichen Angeboten. Als „Städter“ fühlen sich die Breitendieler nicht, im Gegenteil, Breitendiel hat sich seinen dörflichen Charakter bewahrt, auch nach 50 Jahren „gemeinsamer Geschichte“ mit der Kernstadt Miltenberg.

Die „Liebeshochzeit“ vor 50 Jahren war richtig und hat sich für alle segensreich ausgewirkt. In den 50 „Ehejahren“ gab es immer wieder einmal Streit und Widersprüche, aber immer wieder hat man zueinander gefunden, so wie im richtigen Leben. Bleibt zu wünschen, dass die kommenden Zeiten weiterhin von Harmonie und gegenseitiger Achtung getragen werden und die „Vernunftehe Miltenberg/Breitendiel“ noch lange hält.

Bernhard Setzer.

Autor:

Bernhard Setzer aus Breitendiel

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