Interview zum Tag der Arbeit mit dem Vorsitzenden des DGB Kreisverbands Aschaffenburg-Miltenberg, Björn Wortmann
Solidarisch ist man nicht alleine!

Angesichts der Corona-Pandemie können in diesem Jahr erstmals seit der Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Jahr 1949 keine öffentlichen Maikundgebungen stattfinden. Wie wirst du den 1. Mai verbringen?
Gerne wäre ich wieder mit den vielen hundert Kolleginnen und Kollegen auf die Straße gegangen, von der Linde in der Schweinheimer Straße über die Platanenallee auf den Theaterplatz gezogen und dort auf unserer Kundgebung für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für die Menschen demonstriert. Auf dem Karlsplatz hätten wir unseren Tag der Arbeit gefeiert. Aber Solidarität heißt in diesem Jahr: Abstand halten! Der Leitge-danke der Solidarität, der Einsatz für die Menschen und mehr Gerechtigkeit bleiben aber immer präsent auch ohne Veranstaltungen, bei denen wir physisch zusammenkommen. Ich werde den 1. Mai daher virtuell verbrin-gen, mir die zahlreichen Videogrußbotschaften für den DGB zum Tag der Arbeit ansehen, an dem Live-Facebook-Event des DGB Bundesvorstands ab 11 Uhr teilnehmen und meine Gewerkschaftsfahne hissen.

Das Mai-Motto lautet dieses Jahr „solidarisch ist man nicht alleine“. Was bedeutet das 1. Mai Motto für Dich?

Dieses Motto passt in diesen schwierigen Zeiten: Solidarität zeichnet uns und unsere Gesellschaft derzeit aus. Wir nehmen Rücksicht aufeinander und unterstützen uns solidarisch. Wir schätzen derzeit unsere sozialen Sicherungssysteme besonders wert, die solidarisch und paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finan-ziert werden und Menschen und Unternehmen auffangen, wenn es sein muss. In diesen Zeiten merken wir, wie wichtig diese sozialen Sicherungssysteme sind und dass es immer richtig und wichtig war und ist, dass wir als DGB diese sozialen Sicherungssysteme gegen Privatisierung verteidigen und über die soziale Selbstverwal-tung Prozesse, Strukturen und Angebote aktiv mitbestimmen. Sei es in der Kranken-, Arbeitslosen- oder Ren-tenversicherung. Dank dieser sozialen Sicherungssysteme übernimmt die Krankenversicherung die Behand-lungskosten für Erkrankte ohne wenn und aber und es gibt die Möglichkeit, bspw. Kurzarbeitergeld auszuzah-len.

Die Menschen sind von der Coronakrise unterschiedlich betroffen, während tausende Beschäftigte in Kurzarbeit sind, leisten viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Überstunden. Wie bewertest du das?
Wir sind solidarisch mit den Beschäftigten in den Kliniken am bayerischen Untermain, im Lebensmittelhandel, in der Pflege, bei der Fripa in Miltenberg, die das Toilettenpapier für Deutschland produziert, im öffentlichen Dienst, mit den LKW- und Kurierfahrern, den Beschäftigten in der Telekommunikation und den Reinigungskräf-ten, usw. Ich könnte die Liste noch weiterführen. Als DGB danken wir ihnen für ihren Einsatz, Engagement und die Überstunden für uns alle! Aber Beifall klatschen alleine reicht nicht. Die Menschen in diesen systemrelevan-ten Berufen verdienen anständige Entgelte und Arbeitsbedingungen und deshalb braucht es endlich eine branchenweite allgemeinverbindliche Anerkennung von Tarifverträgen. Gleichzeitig werden unter dem Deck-mantel der Pandemie soziale Errungenschaften angegriffen, etwa durch die vorübergehende Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes oder des Ladenschluss. Das entspricht nicht unserem Verständnis von Solidarität. Daher müssen wir jetzt mehr denn je für unsere Rechte streiten, uns einmischen und weiterhin solidarisch agieren. (Versammlungs-)Freiheit und Mitbestimmung sind die Grundpfeiler der Demokratie. Niemals sollten wir uns daran gewöhnen, dass diese eingeschränkt werden. Demokratie bedeutet, sich in seine eigenen Angelegen-heiten einzumischen. Das werden wir Gewerkschaften immer tun!
Wir sind auch solidarisch mit denjenigen, die im Homeoffice arbeiten, Familie, Pflege und Beruf unter einen Hut bringen müssen. Mit denjenigen, die wenig oder keine Arbeit haben, wie vielfach in der Industrie, im stationären Handel, im Kultursektor oder im Hotel- und Gaststättengewerbe. Daher fordern wir, von den Arbeitgebern, die in den letzten Jahren satte Profite mit Hilfe ihrer Beschäftigten erwirtschaftet haben, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, das Kurzarbeitergeld aufzustocken. Flankiert von politischen Entscheidungen sollte dafür gesorgt werden, dass die Einkommenseinbußen für die Beschäftigten so gering wie möglich sind. Das bedeutet Solida-rität!

Die FDP und Teile der Union fordern die Grundrente zu verschieben. Wie bewertest du den Vorschlag?
Eben applaudieren wir denjenigen, die in dieser Krise den Kopf hinhalten: den Pflegern, LKW Fahrern, den Kassierern, Reinigungskräften, usw. Das sind diejenigen, die oft kleine Einkommen haben und nach einem langen Arbeitsleben von einer Grundrente profitieren. Also ist die Debatte völlig inakzeptabel. Die Menschen brauchen die Grundrente und diese schafft ein Stück mehr Gerechtigkeit.
Statt über die Verschiebung der Einführung der Grundrente zu diskutieren, sollten wir über einen Solidarbeitrag von hohen Vermögen diskutieren. Solidarität bedeutet eben auch, dass die Stärkeren in die Pflicht genommen werden, Schwächere zu unterstützen. Das reichste Prozent in Deutschland besitzt so viel Vermögen wie 73 Millionen Bundesbürger zusammen. Würde man diese hohen Vermögen mit einem Steuersatz auf internationa-lem Durchschnitt besteuern, hätte man jährlich rund 30 Milliarden Euro zur Verfügung, die man jetzt in dieser Krisenzeit gut gebrauchen kann.

Corona dominiert und überlagert fast alle Themen. Welche Themen sind für den DGB noch von Bedeutung?
Klar ist, dass auch schon vor der Coronakrise im Zuge der Transformation und der Debatte um mehr Klima-schutz und Digitalisierung der Arbeitswelt in der Region bayerischer Untermain der Druck auf Beschäftigung zu spüren war. Das haben wir ja auch beim heißen Stuhl mit den Kandidaten im Rahmen der Kommunalwahl auch thematisiert. Die Coronakrise wirkt nun in der Region wie ein Brandbeschleuniger, der neue Problemla-gen schafft. Fast 50.000 Beschäftigte könnten neuesten Prognosen zufolge von Kurzarbeit betroffen sein. Sozi-aler Sprengstoff ist absehbar, wenn zusätzlich zu langer sozialer Isolation und Ausgangsbeschränkungen, fehlender Kinderbetreuung noch Geldsorgen hinzukommen. Wir brauchen Solidarität und Mitbestimmung mehr denn je.

Vielen Dank für das Interview.

Hintergrund Aktivitäten des DGB Unterfranken und auf Bundesebene:
Unterfranken:
- Fahnenaktion der DGB Region Unterfranken:
Wir können nicht an unseren Veranstaltungen teilnehmen und Flagge zeigen. Deshalb bringen wir dieses Jahr die Flagge zu Euch nach Hause! Wir bitten Euch die Flagge an, in, aus Euren Fenstern, Balkonen und Terrassen zu hängen und davon ein Foto zu machen und es uns zu zusenden.
- Foto-Challenge:
Druckt das Schild auf der DGB Unterfranken Homepage aus, schreibt drauf, was für euch in diesen Zeiten Solidarität bedeutet, macht ein Foto von Euch mit dem Schild in der Hand und postet es auf Fa-cebook, Instagram. Vergesst nicht, 3-5 Kontakte einzuladen, das Gleiche zu tun, damit es eine Chal-lenge wird. Nutzt dabei die Hashtags #solidarischistmannichtalleine #solidaritätgehtimmer #1Mai2020. Außerdem kannst du DGB Unterfranken hinzufügen: @DGB Unterfranken und das Foto an den DGB Bundesvorstand solidarisch@dgb.de senden
- Videobotschaften:
Auf der Homepage www.unterfranken.dgb.de und der Facebook-Seite werden Videobotschaften von Politikern, Künstlern, Verbänden zu finden sein, die täglich aktualisiert wird. Zudem können Botschaf-ten den DGB Kreisverband Aschaffenburg-Miltenberg https://www.dropbox.com/sh/igxkbb7629k3v1i/AAAuv9lqNRUV-USd6N9On5Ana?dl=0 heruntergela-den werden
Bundesvorstand
- Live-Sendung auf Onlinekanälen:
- Am 1. Mai selbst wird ab 11 Uhr der DGB Bundesvorstand einen Livestream zum Tag der Arbeit anbie-ten. Das Event wird auf der DGB-Website sowie über YouTube, Facebook und Instagram zu sehen sein. Dabei gibt es Liveacts, Talks, Comedy und Solidarbotschaften. https://dgbmedia.de/dgb/1mai2020livestreamtrailer_lo.mp4
- Virtueller Chor:
Zusammen den Kultsong "You‘ll never walk alone" singen. https://www.dgb.de/-/x8y

Autor:

Björn Wortmann aus Aschaffenburg

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