Magische Papiere

Buchtipp: Die Butterbrot-Briefe von Carsten Henn

Ein Buch wie eine Umarmung. Liebevoll und poetisch geschrieben entführt uns Carsten Henn mit der Protagonistin Kati in eine wärmende Stimmung. 
Nach der Beerdigung ihrer Mutter suchte Kati nach Papier. Sie wollte dem Priester einen Brief schreiben. Da fielen ihr die Butterbrot-Papiere in die Hände. Ihr Vater hatte diese für sie aufgehoben und sorgfältig von Krümeln oder anderen Rückständen befreit. Er hatte an Bastelarbeiten gedacht oder daran, die Blätter zum Durchpausen zu benutzen. Das dünne, knisternde Material war Kati immer magisch vorgekommen, als könnte man Zaubersprüche darauf verfassen.
Und darauf schrieb sie nun den ersten Brief an den Priester. Sie warf dem Priester vor, durch seine Worte bei der Beerdigung sei diese eigentlich anonym gewesen. Sie verwendete viele Ausrufezeichen und hämmerte auf der Schreibmaschine herum.
Nach diesem Schreiben merkte sie, dass sie das Bedürfnis hatte, noch mehr Briefe verfassen wollte. Sie überlegte, wann ihr in der Kindheit Unrecht getan worden war. Sie machte jedoch nicht nur ihrem Ärger Luft. Ebenso schrieb sie an die Menschen, denen sie etwas zu verdanken hatte. Da war der Kfz-Mechaniker, der ihr fünf Prozent Rabatt eingeräumt hatte. Oder die Nachbarin, die ihr immer den Rasenmäher auslieh, seit ihr eigener qualmend den Geist aufgegeben hatte. Dreißig Briefe, dreißigmal Herzklopfen bis zum Hals. Die Briefe brachte sie persönlich zu den jeweiligen Adressaten und begann sofort mit dem Vorlesen derselben, sobald sich die Haustür öffnete.         
Und dann trifft sie auf Severin. In seinem früheren Leben war er ein begnadeter Klavierstimmer. Doch wegen eines von ihm verschuldeten Unglücks lebt er nun auf der Straße. Er ist überzeugt, dass Kati und ihr Heimatort sein Schicksal sind.
Ein Buch wie eine Umarmung mit einem ernsten Hintergrund, der zum Nachdenken anregt.
Der Roman von Carsten Henn ist im Piper Verlag (ISBN 978-3-492-07182-6) erschienen und kostet 20 € (auch als eBook erhältlich)