Ungewisse Zukunft
Was passiert mit dem Jugendhaus St. Kilian in Miltenberg?

Regelmäßig führt die Realschule Elsenfeld ihre Tutorenschulungen im Jugendhaus St. Kilian durch. | Foto: Realschule Elsenfeld
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  • Regelmäßig führt die Realschule Elsenfeld ihre Tutorenschulungen im Jugendhaus St. Kilian durch.
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Bistum sucht Kooperationspartner für Miltenberg – Haus steht auf der Kippe – Entscheidung soll bis Jahresende fallen – Schließung droht

Vor großen Herausforderungen steht derzeit das Jugendhaus St. Kilian in Miltenberg. Seit Beginn der Corona-Pandemie vor einem Jahr fehlen im Jugendhaus die Gäste, die für Leben und Betrieb im Haus – und damit natürlich Einnahmen – sorgen. Die ungewisse Zukunft, wann das Jugendhaus für Schüler- und andere Gruppen wieder öffnen kann, bereitet Hausleiter Lukas Hartmann viel Kopfzerbrechen. Seine weitaus größere Sorge sind jedoch die Überlegungen der Diözese Würzburg, sich aus der Trägerschaft des Jugendhauses zurückzuziehen, denn damit steht die Zukunft des Hauses auf der Kippe.

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Diözese für Zukunft wappnen

„Seit etwa zwei bis drei Jahren finden Veränderungsprozesse auf unterschiedlichen Ebenen in der Diözese Würzburg statt“, berichtet Hartmann. „Das Ziel dabei ist es, die Diözese so aufzustellen, dass sie für die Anforderungen der Zeit und die Aufgaben der Zukunft gewappnet ist. Dazu zählen unter anderem die Einrichtung von pastoralen Räumen auf der Verwaltungsebene.“

Bildungshäuser auf dem Prüfstand

Ein weiteres Thema ist die finanzielle Situation der Diözese. Der Diplom-Pädagoge und Sozialbetriebswirt verweist dabei auf die Kirchensteuereinnahmen, die stetig zurückgehen. „Kein Geld, keine Ausgaben – so einfach ist das“, so Lukas Hartmann weiter. „In Bezug auf notwendige Einsparungen hat die Diözese sich Anfang letzten Jahres daher dazu entschlossen, die Bildungs- und Tagungshäuser einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.“ Das Ergebnis: Die Diözese gibt die Trägerschaft von vier Bildungshäusern auf, vier weitere bleiben in Trägerschaft der Diözese (wir berichteten). Für das Jugendhaus St. Kilian und ein weiteres Haus sind indes noch keine endgültigen Entscheidungen getroffen. „Das heißt konkret, dass das Bistum sich darum bemüht, bis Jahresende Kooperationspartner für unser Jugendhaus zu finden. Sollte das nicht gelingen, droht unserem Haus die Schließung.“

„Bistum sollte Entscheidung gut überdenken!“

Bei der Entscheidung, ob sich das Bistum aus der Trägerschaft zurückzieht, spielen verschiedene Kriterien eine Rolle. „Es sind dies der bauliche Zustand, der Wirtschaftlichkeitszustand, gemessen an den Auslastungszahlen, die Zahl der diözesanen Übernachtungsgäste und letztendlich die Bedeutung, die das Haus in den neuen pastoralen Räumen übernehmen könnte“, erläutert Hausleiter Lukas Hartmann.

Vier Kriterien für Entscheidung

Letzteres ist dabei besonders bedeutsam, denn die kirchliche Jugendarbeit, die von Partizipation und Freiwilligkeit geprägt ist und ein personelles und freiwilliges Angebot darstellt, kann nicht hoch genug bewertet werden – gerade in Zeiten wie diesen, in denen laut COPSY-Studie Hamburg viele Kinder durch den Lockdown unter psychischen Störungen leiden. „Ich befürchte, dass das Bistum diese seelsorgerische Bildungsarbeit nicht so sehr im Fokus hat und zu sehr durch die betriebswirtschaftliche Brille schaut. Doch die Wirtschaftlichkeit – die bei uns in normalen Zeiten übrigens sehr gut ist und mit 67 Prozent an diözesanen Übernachtungsgästen weit über dem liegt, was erforderlich ist – zählt wohl leider mehr.“ Hinzu kommt der bauliche Zustand des Hauses. „Wir machen uns Sorgen, dass dieses Kriterium entscheidend sein könnte“, äußert Lukas Hartmann seine Bedenken.

Wohlwollen und Anerkennung

„Wir sind bereits dabei, unsere Fühler auszustrecken und führen erste Gespräche, um mögliche finanzielle Partner zu finden“, legt Hartmann weiter dar. „So waren wir Ende Januar in einer nichtöffentlichen Sitzung des Miltenberger Stadtrats. Dort haben wir viel Wertschätzung und Wohlwollen erfahren. Die Stadträte fänden eine Schließung des Hauses dramatisch. Doch weitere Gespräche zur Klärung detaillierterer Fragen können wir von unserer Seite aus nicht führen. Dazu muss der Finanzdirektor des Bistums eingeschaltet werden.“ Großes Interesse für die Belange des Jugendhauses und vor allem große Anerkennung für das Bildungsangebot des Hauses gibt es auch von Landrat Jens Marco Scherf, vielen Bürgermeistern, dem Schulamtsdirektor und verschiedenen Schulleitern, die auf Initiative von Ansgar Stich, Direktor am Johannes-Butzbach-Gymnasium Miltenberg, einen Unterstützerbrief an die Diözese geschrieben haben. „Dieser Rückhalt, der unserem Haus entgegengebracht wird, tut sehr gut. Doch eine Antwort auf dieses Schreiben steht wohl noch aus“, weiß Lukas Hartmann.

Entwicklung eines Konzeptes

„Aber untätig sind wir nicht“, betont der Hausleiter weiter. „Zum einen möchten wir das Baugutachten, das die Diözese in Auftrag gegeben hat, verifizieren, um das Thema Baulast zu klären. Weiterhin werden wir ein bauliches und inhaltliches Konzept entwickeln, in dem auch die Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten aufgezeigt werden sollen. Wir wollen spätestens Ende des Jahres der Diözese ein durchdachtes Konzept mit mehreren Teilen vorlegen können. Damit hoffen wir auf eine wohlwollende Entscheidung zugunsten des Jugendhauses St. Kilian.“

Unverständnis für Überlegungen der Diözese

Die Partner, die teilweise seit vielen Jahren mit Gästen das Jugendhaus besuchen, reagieren mit Unverständnis und Entsetzen auf die Überlegungen des Bistums. Allen voran die Schulen, die einen Großteil der Gruppen im Haus ausmachen.

„Wir waren erstaunt, erschrocken und regelrecht entsetzt, als wir von der möglichen Schließung des Jugendhauses erfahren haben“, erzählt Johannes Hennrich, Konrektor der Main-Limes-Realschule Obernburg. „Ich bin seit vielen Jahren in der kirchlichen Jugendarbeit aktiv und habe persönliche Beziehungen zum Jugendhaus. Ich kenne es aus vielen kulturellen Veranstaltungen und habe es nur in guter Erinnerung. Seit 20 Jahren bin ich nun an der Obernburger Realschule. In dieser Zeit sind enge Beziehungen zum Jugendhaus entstanden.“

„Die Nachricht war für mich ein Schock“, erinnert sich Brigitte Hauck, Schulleiterin der Grundschule Miltenberg. „Ich dachte, das kann nicht wahr sein. Das ist so unvorstellbar! Als ich 2012 hier in Miltenberg an der Schule angefangen habe, war das Jugendhaus eine der ersten Institutionen, die ich kennengelernt habe. Das Jugendhaus ist eine Institution, die für eine lebendige, offene und zugewandte Kirche steht. Es ist ein wichtiger Ideen- und Impulsgeber.“

„Es ist schwer zu glauben und nicht nachvollziehbar, dass das Bistum eine Schließung des Jugendhauses in Erwägung zieht“, meint Rainer Schäfer, Konrektor der Realschule Elsenfeld. „Bei uns an der Schule ist das Erstaunen hierüber groß, wir sind ratlos. Bildung ist ein Gut, das auch die Kirche jungen Leuten vermitteln muss. Aus Bildung kann man kein Geschäft machen.“

Regelmäßige Nutzung des Angebots

Die Schulen nutzen das Angebot des Jugendhauses für ihre eigene pädagogische Arbeit regelmäßig.

„Unsere Schüler gehen gerne ins Jugendhaus“, berichtet Rainer Schäfer. „Es ist nicht weit entfernt und schnell erreichbar. Ganz anders wie beispielsweise die Häuser des Bistums in der Rhön oder auf dem Volkersberg, bei denen man eine lange Anreise einplanen muss. Außerdem ist der Volkersberg auch ausgebucht, wo sollen unsere Klassen also hin? Dazu ist das Angebot erschwinglich und ergänzt unsere pädagogische Arbeit in vielerlei Hinsicht durch Orientierungs- oder Kennenlerntage.“

„Wir haben zahlreiche Tage der Orientierung, Tutorenschulungen für unsere Neuntklässler, Klassensprecherveranstaltungen und Probewochenenden für unsere Theatergruppe an der Schule gemeinsam mit dem Jugendhaus veranstaltet und sind mehrmals im Jahr zu Gast“, pflichtet Johannes Hennrich bei. „Die freien Angebote des Jugendhauses wie beispielsweise Gestaltung der Kartage geben wir immer gerne an unsere Schüler weiter und haben darüber schon viele positive Rückmeldungen erhalten.“

Ein ganz anderes Angebot nutzt die Grundschule Miltenberg, wie deren Schulleiterin Brigitte Hauck berichtet. „Wir sind mit dem Jugendhaus schwerpunktmäßig über das Essen verbunden, denn die Kinder unserer Ganztagsbetreuung erhalten dort das Mittagessen. Da wir aktuell noch keine Mensa haben, benötigen wir die Räume des Jugendhauses sowie dessen Personal für die Essensausgabe. Die Kinder sind von dem Essen begeistert. Es ist frisch gekocht, kindgemäß, gesund und schmeckt lecker. Sehr gut finde ich auch, dass die Mädchen und Jungen auf das Essensangebot Einfluss nehmen können, denn in regelmäßigen Abständen werden sie von den Mitarbeitern des Jugendhauses zu ihren Wünschen befragt. Auch ein ganz positiver Aspekt: Das Essen produziert keinen Abfall, da wir es ja nicht, wie bei anderen Caterern teilweise üblich, in Portionen verpackt geliefert bekommen. Aber auch nach dem Programm des Jugendhauses schauen wir öfter und bieten unseren Kindern die dortigen Wochenendworkshops an.“

Was bedeutet ein Aus des Jugendhauses für die Schulen?

Für die Schulen im Landkreis würde eine Schließung des Jugendhauses einen tiefen Einschnitt in ihrem pädagogischen Wirken bedeuten.

„Für das Essen für unsere Kinder wäre eine Schließung des Jugendhauses schlimm“, befürchtet Brigitte Hauck. „Wir müssten uns auf die Suche machen und einen anderen Anbieter finden, denn in der Schule ist nur eine Aufwärmküche mit Essen zur Ausgabe geplant. Ich habe aber Zweifel, ob wir einen geeigneten Lieferanten finden würden, denn die Messlatte ist sehr hoch. Außerdem wollen für uns um eine Auszeichnung als Fair Trade Schule bewerben. Hierzu arbeiten wir mit dem Projekt ´Werde WELTfairÄNDERER!´ des Jugendhauses zusammen. Wenn das Jugendhaus seine Türen schließen müsste, wäre das sehr schade für uns als Schule, aber auch für die Gemeinde. Die ökonomischen Gründe für eine eventuelle Schließung sind verständlich, aber richtig gute Jugendarbeit, wie sie in St. Kilian geleistet wird, ist unbezahlbar und in diesen besonderen Zeiten noch viel wichtiger.“

„Wir befürchten, dass mit einer Aufgabe der Trägerschaft durch das Bistum möglicherweise eine andere unternehmerische Einrichtung im Gebäude den Betrieb aufnehmen könnte“, bekräftigt Rainer Schäfer. „Wir befürworten auf jeden Fall ein Fortbestehen des Jugendhauses St. Kilian sehr, denn solche Einrichtungen sind sehr wichtig und es ist vor allem im Sinne der Tradition des Hauses wichtig.“

„Für uns kommen die Überlegungen des Bistum einem Armutszeugnis gleich“, merkt Johannes Hennrich an. Wir müssen den Entscheidungsträgern deutlich machen, dass mit dem Fortbestehen des Jugendhauses Jugendliche erreicht werden können und ihnen sinnvolle Angebote offeriert werden. Gerade jetzt in der Corona-Pandemie ist dies schwierig, da die Jugendlichen derzeit ganz andere Probleme mit sich herumtragen. Wenn das Jugendhaus St. Kilian nicht mehr existieren würde, würden unsere Angebote zwangsläufig entfallen oder wir müssten nach Alternativen suchen. Ob wir jedoch adäquate und qualitativ gleichwertige finden würden, bezweifle ich. Wenn für das Fortbestehen des Jugendhauses moderate Preiserhöhungen nötig wären, wären wir sogar bereit, mehr für die Angebote zu bezahlen.“

Verwunderung und Unverständnis

Auch die Pfarreien mit ihren Pfarrgemeinderäten nutzen das vielfältige Angebot des Jugendhauses für ihre ehrenamtliche Arbeit. Umso größer waren die Verwunderung und das Unverständnis über die drohende Schließung.

Anna Salmen-Legler engagiert sich ehrenamtlich im Pfarrgemeinderat Miltenberg: „Dass die Diözese die Trägerschaft für das Jugendhaus aufgeben möchte, ist schlimm, um nicht zu sagen alarmierend. Das Jugendhaus hat nicht nur in unserer Region eine lange Tradition, sondern nimmt einen großen Stellenwert in der Bildungsarbeit – vor allem für Kinder, Jugendliche und Familien – ein. Dass die Diözese sich von vier Bildungshäusern sicher und von zweien – darunter das Jugendhaus St. Kilian – evtl. trennen möchte, ist alarmierend. Sicherlich ist die finanzielle Situation der Diözese dramatisch, aber für die Zukunft der Kirche ist es verfehlt, an Bildungshäusern zu sparen. Sie sind für kirchliche Gruppen ein Ort, um sich auszutauschen, Gemeinschaft und Glauben zu erfahren, zu leben und zu feiern. Die Kirche erlebt derzeit eine existentielle Krise. Sie sollte viel dafür tun, in der Gesellschaft ihre Botschaft lebendig zu halten. Orte wie das Jugendhaus St. Kilian vermitteln uns Christen, dass wir in der Tradition der vielen stehen, die auch in den vergangenen Jahren, Jahrzehnten und Jahrhunderten als Christen in dieser Welt gelebt und sie gestaltet haben. Die Diözese sollte unbedingt in den Blick nehmen, dass ihre Provinz mindestens genauso wichtig ist wie Würzburg selbst. Es ist nicht tragbar, Gelder vorrangig vor Ort in Würzburg in Projekte zu investieren und die Peripherie der Diözese zu vernachlässigen. Gerade die ländlichen Regionen, die nicht von der Nähe zum Leben in der Stadt mit ihren vielfältigen Angeboten – das gilt natürlich auch im christlichen Bildungskontext – profitieren können, brauchen Zentren wie das Jugendhaus, um ihren Glauben lebendig halten und nähren zu können. Das gilt umso mehr in Zeiten, in denen mit Konzepten des ´Pastoralen Raums´ über die herkömmlichen Grenzen von Pfarrgemeinden hinweg gedacht und vernetzt werden muss. Häuser wie das Jugendhaus St. Kilian sind unabdingbar für die Zukunft der Kirche und für das Lebendig-Halten unseres Glaubens. Wenn die Kirche das über die finanziellen Sorgen vergisst, spart sie an der falschen Stelle.“

Rosemarie Becker ist Mitglied des Pfarrgemeinderats Erlenbach: „Bei uns konnte keiner die Überlegungen des Bistums nachvollziehen. Ich persönlich habe kein Verständnis dafür und bin regelrecht wütend.“

Große Bedeutung in den Pfarreien

Die Bedeutung des Jugendhauses ist auch in den Pfarreien deutlich zu spüren, die es als langjährigen Wegbegleiter bei den gemeindlichen Aufgaben schätzen.

„Ich war Religionslehrerin und in meinen über vierzig Dienstjahren schon mit tausenden von Schülern im Jugendhaus zu Gast“, ergänzt Rosemarie Becker. „Ob Streitschlichter, Tage der Orientierung oder spezielle Probleme an unserer Schule – im Jugendhaus gibt es immer gut ausgebildetes Personal für die vielfältigen Anforderungen. Ich selbst habe eine Ausbildung als Aggressionsberaterin. Die Streitschlichterausbildung im Jugendhaus ist ausgesprochen fundiert, richtig professionell. Über die Pfarrei haben wir Kommunionkindertage, Firmwochenenden oder Klausurtage in Miltenberg veranstaltet. Die Familienwochenenden dort sind für viele Verbände ein fester Bestandteil des Programms. Die Anreise ist kurz und die Kinder haben sich in dieser auf Kinder und Jugendliche zugeschnittenen Einrichtung immer pudelwohl gefühlt. Die Mitarbeiter im Jugendhaus gehen bei allen Anfragen unserer Pfarrei immer individuell auf uns ein und bieten ein bezahlbares Angebot.“

„Die Pfarrgemeinden haben zunehmend unter personellen Engpässen zu leiden“, gibt Anna Salmen-Legler zu bedenken. „Das betrifft nicht nur die Situation der Hauptamtlichen, sondern auch die der Ehrenamtlichen. Hinsichtlich der Jugendarbeit verändert das viel: Früher gab es in Pfarrgemeinden den Kaplan, der Jugend- und Ministrantengruppen über Jahre betreute und Kinder wie Jugendliche in der Freizeit und während ihrer Entwicklung begleitete. Orte der gemeindlichen Jugendarbeit nehmen ständig ab, auch wenn viele von früheren Zeiten schwärmen und Strukturen vermissen, in denen man ´auf Fahrt´ ging, ´mit dem Kaplan Fußball spielte´ o. ä. Dass die Kirche insgesamt an Attraktivität in der Gesellschaft verliert, kommt zu diesen veränderten Strukturen hinzu. Es fehlt an Nachwuchs und Authentizität. In dieser Situation ist die Bedeutung des Jugendhauses von großer Wichtigkeit. Häuser wie dieses sind dann nämlich nicht nur Anlaufpunkt für Gruppen aus der Region, die sich für mehrere Tage für ein bestimmtes Programm einmieten, sondern sie haben das Potential, über die Gemeinden hinaus für Menschen aus unserer Region zu einem Begegnungshaus für christlich Engagierte und Interessierte – Kinder, Jugendliche wie Erwachsene – zu werden. Es kann und darf nicht passieren, dass die Kirche sich selbst diese Möglichkeit nimmt, in der Region Glaubensbegegnungen möglich zu machen und Hoffnung zu schenken. Häuser wie das Jugendhaus geben das Versprechen, dass Kirche auch morgen lebendig sein soll und möchte und dass die Botschaft der Christen für unsere Gesellschaft relevant ist. Wenn die Kirche ein Haus wie das Jugendhaus St. Kilian schließt, kommt das einer ´K.o.-Erklärung´ gleich. Die Kirche kann sich vielleicht von Grundstücken oder anderem trennen – nicht aber von den Orten, in denen sie ihre Botschaft lebt und weitergibt. Es wäre schlicht gesagt unverantwortlich.“

Angebote für lebendige Gemeinden

„Das Jugendhaus bietet ein vielfältiges Angebot für Kinder und Jugendliche aus der Region“, so Anna Salmen-Legler weiter. „Nicht immer handelt es sich um explizit religiöse Angebote, aber immer sind sie mit dem christlichen Menschenbild verbunden und setzen bei dem an, was für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unverzichtbar ist. Es ergänzt Gemeindearbeit durch Angebote für die Zielgruppe ´Kinder, Jugendliche, Familien, Engagierte in der Kirche´ und ermöglicht ganz andere Veranstaltungen und Formate als die Gemeinde. In Zeiten der Pandemie wird uns schmerzhaft bewusst, wie sehr wir menschliches Miteinander entbehren. Die Presse ist voll davon, dass Kinder und Jugendliche für eine gesunde soziale Entwicklung Orte brauchen, in denen sie Gemeinschaft erfahren und unter sich sein können. Wie kann die Kirche überhaupt nur darüber nachdenken, in der gegenwärtigen Krisensituation, in der unzählige Menschen ihr aus diversen Beweggründen den Rücken zuwenden, an Begegnungs- und Bildungshäusern zu sparen, die ihr Image – was so dringend nötig ist – verbessern können? In diesem Haus sind auch die Regionalstelle für kirchliche Jugendarbeit, das Diözesanbüro und die Ehe- und Familienseelsorge untergebracht. Für die Arbeit vor Ort und in der Gemeinde ist die Zusammenarbeit sehr wichtig.“

„Viele Menschen haben zur Kirche keinen Bezug, aber ich habe es oft erlebt, dass vor allem bei den KollegInnen die Kirche positiv herübergekommen ist, wenn sie einige Tage dort verbracht haben“, weiß Rosemarie Becker. „Die Auslastung des Jugendhauses ist in der Regel so gut, dass wir Schultermine meistens schon ein Jahr im Voraus anfragen mussten. Zudem ist es ein gastliches Haus mit einem hervorragenden Essensangebot.“

Schließung – und dann?

„Eine Schließung des Jugendhauses würde den kompletten Wegfall des Angebots bedeuten“, glaubt Rosemarie Becker. „Das, was das Jugendhaus bietet, ist hochwertig und individuell auf die Gruppen, die zu Gast sind, zugeschnitten. Auch die Infrastruktur – beispielsweise das Außengelände – bietet vielfältige Möglichkeiten.“

„Uns allen würde erst im Rückblick bewusst, was wir verloren und aufgegeben haben“, mutmaßt Anna Salmen-Legler. „Das ist ja mit vielem so: Was wir – im Fall des Jugendhauses seit Jahrzehnten – als selbstverständlich erleben, wissen wir oft nicht wertzuschätzen. Natürlich ist das heutige Jugendhaus eine großartige Immobilie mit einem beeindruckenden Areal, das möglicherweise für Investoren anderer Branchen von großem Interesse ist. Wenn das heutige Jugendhaus zugunsten eines in finanzieller Hinsicht lukrativeren Projekts aufgegeben würde, zeigte das in meinen Augen vor allem eines: dass Geld oft zum höchsten Maßstab gemacht wird, wo ideelle Werte häufig übersehen werden – der Preis dafür wäre sehr hoch. Wieder einmal fiele ein Ort weg, an dem nicht Materielles an erster Stelle steht. Im Jugendhaus geht es darum, Menschlichkeit zu lernen, Anteil aneinander zu nehmen, auf Menschen zuzugehen, soziales Miteinander einzuüben und vor dem Hintergrund unseres gemeinsamen Glaubens Gemeinschaft zu erleben und als Christen zu feiern. Wenn die Kirche Häuser wie diese schließt, zerstört sie ihre eigenen Lungen. Es mag ein dramatischer Vergleich sein, aber die Abholzung des Regenwaldes bedeutet für die Welt so viel wie das Aufgeben von Gemeinden und Bildungshäusern für die Kirche.“

Vernetzung für den Erhalt des Jugendhauses

„Ich kann die Argumentation des Bistums nicht nachvollziehen“, sagt Rosemarie Becker zum Abschluss. „Die Kirche macht damit einen Ausverkauf ihrer Werte und verrät diese, denn das Jugendhaus steht auch für die Ökumene. Es gibt dort keine Grenzen. Der finanzielle Aspekt leuchtet mir nicht ein, denn das Bistum hätte durchaus Möglichkeiten, sich von dem einen oder anderen Objekt zu trennen und etwas zu verkaufen. Für mich ist die Kirche realitätsfremd geworden und stellt sich nicht dem Wandel. Alles, was die Entscheidungsträger in Würzburg machen, dient dem Erhalt der hierarchischen Strukturen. Die Kirche sägt den Ast ab auf dem sie sitzt. Als Christin fühle mich in der Kirche nicht mehr ernst genommen. Ich bin so enttäuscht und wütend!“

„Ich bin auch Stadtführerin in Miltenberg“ so Anna Salmen-Legler abschließend. „Immer wieder begegne ich in dem Kontext Menschen, die von Miltenberg schwärmen und mir erzählen, sie seien bereits als Kind im Schullandheim oder in der Jugendherberge oder im Jugendhaus St. Kilian in Miltenberg gewesen. Die guten Begegnungen und schönen Tage hier sind in Erinnerung geblieben und gern wolle man hier wieder Urlaub verbringen. Bei der Entscheidung über die Zukunft des Jugendhauses sollte nicht zuletzt berücksichtigt werden, dass das Haus als Beherbergungsort für Familien, Kinder- wie Jugendgruppen auch in touristischer Hinsicht eine Rolle spielt. Wenn sie hier bereichernde und erholsame Tage verbringen, erzählen sie davon und dienen als Multiplikator für unsere Region. Ich bin sehr besorgt über die Kommunikation, die Vorgehensweise und Schwerpunktsetzung der Diözese und befürchte, die Anliegen der Region und die Bedeutung für die Christen vor Ort werden nicht genügend in den Blick genommen. Umso mehr sollten wir – Menschen und Christen in der Region – genau das tun und miteinander die Zukunft des Hauses sichern: Das Jugendhaus St. Kilian sollte auch in Zukunft ein Ort sein, der christlichen Gruppen allen Alters ein geistig inspirierendes und erholsames Ambiente zu finanzierbaren Preisen und eine Heimat bietet. In diesem Sinn hoffe und erwarte ich, dass die politischen Entscheidungsträger aus Gremien, Gemeinden und Politik auf Stadt- und Landkreisebene sich zügig vernetzen, um für das Haus in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen dort – im Dienst für uns alle – ein gutes Konzept zu erarbeiten und die Zukunft auf sichere Stützen zu stellen.“

Um das Jugendhaus St. Kilian zu unterstützen und für den Erhalt zu kämpfen, wird auf Initiative des Pfarrgemeinderats Erlenbach baldmöglichst eine Petition im Landkreis Miltenberg starten. Näheres dazu folgt in Kürze.

Projektgruppe im Landkreis Miltenberg gebildet
Autor:

Andrea Kaller-Fichtmüller aus Miltenberg

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